Der standhafte Zinnsoldat

3. Teil

 

Mit einem Mal trieb das Boot unter eine lange Rinnsteinbrücke; da wurde es gerade so dunkel, als wäre er in seiner Schachtel. "Wohin mag ich nun kommen?" dachte er "Ja, ja, das ist des Kobolds Schuld! Ach sässe doch das kleine Mädchen hier im Boote, da möchte es meinetwegen noch einmal so dunkel sein!"

Da kam plötzlich eine grosse Wasserratte, welche unter der Rinnsteinbrücke wohnte.

"Hast Du einen Pass?" fragte die Ratte. "Her mit dem Pass!" Aber der Zinnsoldat schwieg still und hielt sein Gewehr noch fester. Das Boot fuhr davon und die Ratte hinterher. Hu! wie fletschte sie die Zähne und rief den Holzspänen und dem Stroh zu: "Halt auf! Halt auf! Er hat keinen Zoll bezahlt; er hat den Pass nicht gezeigt!"

Aber die Strömung wurde stärker und stärker! Der Zinnsoldat konnte schon da , wo das Brett aufhörte, den hellen Tag erblicken, aber er hörte auch einen brausenden Ton, der wohl einen tapferen Mann erschrecken konnte; denkt nur, der Rinnstein stürzte, wo die Brücke endete, gerade hinaus in einen grossen Kanal; das würde für ihn eben so gefährlich gewesen sein, als für uns, einen grossen Wasserfall hinunterzufahren.

Nun war er schon so nahe dabei, dass er nicht mehr anhalten konnte. Das Boot fuhr hinaus. der arme Zinnsoldat hielt sich, so steif er konnte. Niemand sollte ihm nachsagen, dass er mit den Augen blinke, Das Boot schnurrte drei-, viermal herum und war bis zum Rande mit Wasser gefüllt, es musste sinken.

Der Zinnsoldat stand bis zum Halse im Wasser, und tiefer und tiefer sank das Boot. Mehr und mehr löste sich das Papier auf; nun ging das Wasser über des Soldaten Kopf. Da dachte er an die kleine niedliche Tänzerin, die er nie mehr zu Gesicht bekommen sollte, und es klang vor des Zinnsoldaten Ohren: "Fahre, fahre Kriegsmann! Den Tod musst Du erleiden!"

Nun ging das Papier entzwei und der Zinnsoldat stürzte hindurch, wurde aber augenblicklich von einem grossen Fisch verschlungen.

Wie war es dunkel da drinnen! Da war es noch schlimmer als unter der Rinnsteinbrücke, und dann war es sehr eng; aber der Zinnsoldat war standhaft und lag so lang er war, mit dem Gewehr im Arm.

Der Fisch fuhr herum, er machte die allerschrecklichsten Bewegungen; endlich wurde er ganz still, es fuhr wie ein Blitzstrahl durch ihn hin. Das Licht schien ganz klar und jemand rief laut: "Der Zinnsoldat!" Der Fisch war gefangen worden, auf den Markt gebracht, verkauft und war in die Küche hinaufgekommen, wo die Köchin ihn mit einem grossen Messer aufschnitt.

Sie nahm mit zwei Fingern den Soldaten mitten um den Leib und trug ihn in die Stube hinein, wo alle den merkwürdigen Mann sehen wollten, der im Magen eines Fisches herumgereist war; aber der Zinnsoldat war gar nicht stolz. Sie stellten ihn auf den Tisch und da - wie sonderbar kann es doch in der Welt zugehen! Der Zinnsoldat war in derselben Stube, in der er früher gewesen war, er sah dieselben Kinder und dasselbe Spielzeug stand auf dem Tische, das herrliche Schloss mit der niedlichen kleinen Tänzerin; sie hielt sich noch auf dem einen Bein und hatte das andere hoch in die Luft, sie war auch standhaft; das rührte den Zinnsoldat, er war nahe daran Zinn zu weinen, aber es schickte sich nicht. Er sah sie an, aber sie sagten gar nichts.

Da nahm der eine der kleinen Knaben den Soldaten und war ihn gerade in den Ofen, obwohl es gar keinen Grund dafür gab; es war sicher der Kobold in der Dose, der schuld daran war.

Der Zinnsoldat stand ganz beleuchtet da und fühlte eine Hitze, die schrecklich war; aber ob sie von dem wirklichen Feuer oder von der Liebe herrührte, das wusste er nicht. Die Farben waren ganz von ihm abgegangen; ob das auf der Reise geschehen war oder ob der Kummer daran schuld war, das konnte niemand sagen. Er sah das kleine Mädchen an, sie blickte ihn an und er fühlte, dass er schmolz, aber noch stand er standhaft mit dem Gewehr im Arm.

Da ging die Tür auf und ein Wind ergriff die kleine Tänzerin und sie flog, einer Sylphide gleich, gerade in den Ofen zum Zinnsoldaten, loderte in Flammen auf und war verschwunden, da schmolz der Zinnsoldat zu einem Klumpen und als das Mädchen am folgenden Tag die Asche herausnahm, so fand sie ihn als ein kleines Zinnherz; von der Tänzerin hingegen war nur noch der Stern da und der war kohlschwarz gebrannt.

 

nach Hans Christian Andersen

 

 

 

         
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