Sankt Nikolaus
sah auf einmal, dass sie vor Cäciliens Haus standen, und legte mahnend
den Finger auf den Mund. Doch das Kind hatte die warme, brummende
Stimme gehört wie Hummelgesumm, machte grosse Augen unter dem goldenen
Lockenkopf, glitt ans Fenster, schob die Gardinchen weg und sah Sankt
Nikolaus, den wirklichen Sankt Nikolaus.
Das Kind stand
mit offenem Mund staunend da. Und während es sich gar nicht fassen
konnte über den goldenen Bischofsmantel, der funkelte von bunten
Edelsteinen wie ein Garten, über die Pracht der Mitra, worauf ein
diamantenes Kreuz Licht in die Nacht hinein schnitt wie ein Messer,
über den Reichtum der Ornamente am Krummstab, wo ein silberner Pelikan
das Rubinenblut pickte für seine Jungen, während sie die feine Spitze
besah, die über den purpurnen Mantel schleierte, während sie Gefallen
fand an dem guten weissen Eselchen, und während sie lachen musste über
die Grimassen des drolligen, schwarzen Knechtes, der die weissen Augen
herumrollte, als ob sie lose wie Taubeneier in seinem Kopf lägen,
während alledem hörte sie die beiden Männer also miteinander reden:
"Ist denn gar
nichts mehr in den Körben, lieber Ruprecht?" "Nein,
heiliger Herr, so wenig wie in meinem Geldsäckel." "Sieh doch einmal
gut nach, Ruprecht!"
"Ja, heiliger
Herr, und wenn ich die Körbe auch ausquetsche, so kommt doch nicht
soviel heraus wie eine Stecknadel."
Sankt Nikolaus
strich kummervoll über seinen schneeweissen Lockenbart und zwinkerte
mit seinen honiggelben Augen.
"Ach", sagte da
der schwarze Knecht, "as ist doch nichts mehr zu machen, Herr. Schreib
der kleinen Cäcilie, dass sie im kommenden Jahr doppelt und dreifach
soviel kriegt."
"Niemals,
Ruprecht! Ich sollte der kleine Cäcilie, das bravste Kind auf der
ganzen Welt, leer ausgehen lassen und ihm eine schlechte Meinung von
mir beibringen? Nie, Ruprecht, niemals!"
Knecht Ruprecht
rauchte heftig, das brachte ihn auf gute Gedanken und so sagte er
plötzlich: "Aber Herr, nun hört einmal zu! Wir haben keine Zeit mehr,
um noch einmal in den Himmel zurückzukehren, Ihr wisst, für Petrus ist
der Himmel kein Taubenschlag. Und ausserdem, der Backofen ist kalt und
der Zucker zu Ende. Und hier in der Stadt schläft längst alles, und es
ist Euch sowohl wie mir verboten, Menschen zu wecken, zudem sind auch
alle Läden ausverkauft."
Sankt Nikolaus
strich nachdenklich über seine, von vier Falten durchzogene, Stirn
neben der schon Löckchen glänzten, denn sein Bart begann dicht unter
dem Rande seines schönen Hutes.
Ich brauche Euch
sicherlich nicht zu erzählen, wie Cäcilie immer bekümmerter wurde ob
all der Worte. Das reiche Schiff sollte nicht bei ihr stranden? Und
auf einmal schoss es leuchtend durch ihr Köpfchen. Sie machte die Tür
auf und stand in ihrem zerschlissenen Hemdchen auf der Schwelle. Sankt
Nikolaus und Knecht Ruprecht fuhren zusammen wie die Kaninchen. Doch
Cäcilie schlug ehrerbietig ein Kreuz, stapfte mit ihren blossen Füssen
in den Schnee, und ging zu dem heiligen Kinderfreund hin. "Guten Tag
lieber Sankt Nikolaus", stammelte das Kind. "Alles ist noch nicht
ausverkauft... bei Trinchen Mutser steht noch ein Schokoladenschiff
vom Kongo.... als sie die Läden vorgehängt hatte, stand es noch da.
Ich habe es gesehen!"
Von seinem
Schreck sich erholend, rief Sankt Nikolaus erfreut: "Siehst du wohl!
es ist noch nicht alles ausverkauft! Auf zu Trinchen Mutser! Zu
Trinchen... aber ach!" ... und seine Stimme zitterte verzweifelt, "wir
dürfen niemanden wecken."
"Ich auch nicht?"
fragte das Kind.
"Bravo" wir sind
gerettet" rief der Heilige "kommt!"
Und sie gingen
mitten auf der Strasse, die kleine Cäcilie mit ihren blossen Füsschen
voran, geradewegs zur Eierwaffelstrasse, wo Trinchen wohnte. In der
Süssrahmbutterstrasse wurde ihr Blick auf ein erleuchtetes Fenster
gelenkt. Auf dem heruntergelassenen Vorhang sahen sie den Schatten
eines dürren langhaarigen Menschen, der mit einem Büchlein und einer
Pfeife in der Hand grosse Gebärden machte und sein Mund ging dabei auf
und zu.
"Ein Dichter"
sagte Sankt Nikolaus und lächelte.
Sie kamen vor
Trinchens Haus. Im Mondlicht konnten sie gut das Aushängeschild
erkennen "Zum verzuckerten Nasenflügel".
"Weck sie rasch
auf", sagte Sankt Nikolaus. Und das Kindchen lehnte sich mit dem
Rücken an die Tür und klopfte mit der Ferse ans Holz.
Aber das klang so
leise wie ein Samthämmerchen. "Stärker" sagte der schwarze Knecht.
"Wenn ich noch
stärker klopfe, wird's noch weniger gehen, denn meine Füsse tun mir
weh" sagte das Kind. "Mit den Fäusten" meinte daraufhin Knecht
Ruprecht. Doch die Fäustchen waren noch leiser als die Fersen.
Ja, wie das wohl
enden mag? Morgen werden wir es erfahren denke ich....
|