Advents Kalender
 22. Dezember
 
 

 

 

Sankt Nikolaus in Not - Teil 3

Wart', ich werde meinen Schuh ausziehen, dann kannst Du damit klopfen", sagte Knecht Ruprecht.

"Nein!", gebot Sankt Nikolaus, "Kein Drehen und Deuteln!" Gott ist heller um uns als dieser Mondenschein und duldet keine Advokatenkniffe." Und doch hätte der Gute Mann sich gerne einen Finger abgebissen, wenn er nur Cäcilie damit hätte froh machen können.

"Ach! Aber der Kerl mit den Affenhaaren auf dem Vorhang!" rief Knecht Ruprecht erfreut, "den darf ich rufen, der schläft nämlich noch nicht!" "Den Dichter, ja den Dichter!" lachte Sankt Nikolaus. Und nun gingen alle drei schnell zu dem Dichter Remoldus Keersmaecker. Und kurzer Hand machte Knecht Ruprecht kleine Schneebällchen, die er an die Fensterläden warf. Der Schatten stand still, das Fenster ging auf, und das lange Gestell des Dichters, der Verse der Götter und Göttinnen des Olymps hersagte, wurde im hellen Mondschein sichtbar und fragte von oben: "Welche Muse kommt, um mir Heldengesänge zu diktieren?"

"Du sollst Trinchen für uns wecken!" rief Sankt Nikolaus und erzählte von seiner Not.

"Ja, bist du denn wirklich der echte Nikolaus?" fragte Remoldus.

"Der bin ich!" Und darauf kam der Dichter erfreut herunter gerannt, jätete alles Dialektstückchen aus seiner Sprache, machte eine tiefe Verbeugung und redete von Dante, Beatrice, Vondel, Milton und allen anderen Dichtern die ihm einfielen und von denen er glaubte sie müssten jetzt im Himmel sein. Danach stand er Sankt Nikolaus zu Diensten. Sie kamen zu Trinchen und der Dichter stampfte und klopfte mit soviel Temperament and ie Tür, dass das Frauenzimmer holterdiepolter aus dem Bett stürmte und erschrocken aus dem Fenster sah. "Geht die Welt unter?"

"Wir kommen wegen des grossen Schokoladenschiffes", sagte Sankt Nikolaus, weiter konnte er ihr nichts mehr erklären, denn sie war schon weg, und kam in ihrer lustigen Nachtbekleidung, mit einem blossen Fuss und einem Strumpf in der Hand, und machte die Tür auf.

 

Sie steckte die Lampe an und ging sofort hinter den Ladentisch um zu bedienen. Sie dachte, es müsste der Bischof von Mecheln sein. "Herr Bischof", stotterte sie, "hier ist das Schiff aus allerbester Schokolade, und es kostet 25 Franken!" Der Preis war eigentlich nur 20 Franken, aber ein Bischof kann ja gerne auch mal 5 Franken mehr bezahlen. Aber nun platzte die Bombe!

Geld... !!

Sankt Nikolaus hatte kein Geld, denn das hatte man im Himmel nun einmal nicht nötig. Knecht Ruprecht hatte auch kein Geld. das Kind hatte nur ein zerschlissenes Hemdchen an und der Dichter kaute an seinen langen Haupt- und Barthaaren vor lauter Hunger. Ausserdem war er  mit seiner Miete schon vier Wochen im Rückstand. Niedergeschlagen sahen sie sich gegenseitig an.

"Es ist Gott zuliebe" warf Sankt Nikolaus ein. Gerne hätte er seine Mitra gegeben, aber alles das war ihm vom Himmel ja nur geliehen, ausserdem wäre es Heiligenschändung gewesen, es wegzugeben.

Trinchen rührte sich nicht und blickte finster.

"Tu es dem Himmel zuliebe", sagte Knecht Ruprecht "nächstes Jahr werden wir dann auch deinen ganzen Laden aufkaufen!"

"Tu es aus lauter Poesie" meinte der Dichter theatralisch.

Aber Trinchen rührte sich nicht, sie fing an zu glauben, weil sie kein Geld hatten, es handle sich um verkleidetes Diebesgesindel.

"Schert euch raus! Hiiiiiieeeelfe!!! Hiiiiieeeelfe!" schrie sie auf einmal so laut sie konnte. "Schert euch raus! Heiliger Antonius und Sankt Nikolaus steht mir bei!!!!"

"Aber ich bin doch der Sankt Nikolaus, "sagte darauf der Heilige.

"So siehst du aus! Du hast nicht einmal einen roten Rappen aufzuweisen" und sie zeterte weiter.

"Ach das Geld, dass alle Liebe zwischen den Menschen vergiftet!" seufzte Sankt Nikolaus

"Das Geld, dass die edle Poesie verpfuscht!" schimpfte der Dichter.

"Und die armen Menschen och viel ärmer macht", schoss es Cäcilie durch ihr Köpfchen.

"Und ein Schornsteinfegerherz doch nicht weiss klopfen machen kann", lachte Knecht Ruprecht. Und sie gingen alle wieder hinaus.

In der Mondnacht, die still war von Frostklarheit und Schnee, tönte das "Schlafet-ruhig" hart und hell vom Turm. "noch einer, der nicht schläft!" rief Sankt Nikolaus nun erfreut, und sogleich streckte Knecht Ruprecht seinen Fuss zwischen die Tür , die Trinchen geraden wütend zuschlagen wollte. "Haltet mir die Frau wach", sagte der schwarze Knecht, " ich bin sofort wieder da!" Und damit stiess er die Türe wieder auf, und zwar so heftig, dass Trinchen sich plötzlich in einem Korb voller Zwiebeln wieder fand. Und während die anderen aufs neue hineingingen, sprang Knecht Ruprecht auf das Eselchen, sauste wie ein Sensenstrich durch die Strassen, hielt vor dem Turm, kletterte flink an Zinnen und Vorsprüngen, Zierrat, Schiefern und Heiligenbildern den Turm hinauf bis zu Dries, der gerade ein Liedchen auf seiner Geige kratzte.

Der Mann liess Geige und Liedchen fallen , aber Knecht Ruprecht erzählte ihm alles.

"Erst sehen, dann glauben!" sagte Dries.

Am Ende kriegte Knecht Ruprecht ihn doch noch mit hinunter und zu zweit rasten sie mit dem Eselchen durch die Strassen zurück zu Trinchens Haus.

 

Sankt Nikolaus fiel vor dem Nachtwächter auf die Knie und flehte ihn an, doch die 25 Franken zu bezahlen, dann solle ihm auch alles Glück der Welt werden.

Der Mann war gerührt und sagte zu dem ungläubigen, hartherzigen Trinchen: "ich weiss nicht, ob er lügt, aber so sieht Sankt Nikolaus doch aus in den Bilderbüchern von unseren Kindern und im Kirchenfenster über dem Taufstein. Und wenn er es nun wirklich ist?! Gib ihm doch das Schiff! Morgen werde ich wieder kommen und es bezahlen!..." Trinchen hatte grosses Vertrauen in den Nachtwächter, der aus ihrer Nachbarschaft war. Und Sankt Nikolaus bekam endlich das Schiff.

"Jetzt geh nur schnell nach Hause und leg dich schlafen" sprach Sankt Nikolaus zu Cäcilie. "Wir werden das Schiff gleich bringen."

Das Kind ging nach Hause, aber es schlief nicht, es sass am Kamin mit dem Kissen auf den Ärmchen und wartete auf das Niedersinken des Schiffes.

Der Mond sah gerade in das armselig-traurige Kämmerchen. Ach, was sah Cäcilie da auf einmal! Dort auf dem glitzernden Mondstrahl kletterte das Eselchen in die Höhe samt Sankt Nikolaus auf seinem Rücken und Knecht Ruprecht der sich am Schwanz festhielt und sich hinterher ziehen liess.

Der Mond öffnete sich; ein grosses, sanftes Licht fiel in funkelnden Regenbogenfarben über die beschneite Welt. Sankt Nikolaus grüsste die Erde, trat hinein, und wieder war da das gewöhnliche, blassgrüne Mondlicht.

Die kleine Cäcilie wollte weinen. Knecht Ruprecht oder Sankt Nikolaus hatten ihr das Schiff nicht gebracht. es lag nicht auf ihrem Kissen.

Aber siehe! Welch unbeschreibliches Glück! Das Schiff, die Kongo, stand ja da in der kalten Asche, ohne Delle, ohne Bruch, strahlend von Silber und rauchte mindestens für 20 Rappen weisse Zuckerwatte aus beiden Schornsteinen!

Wie war das nur möglich? Wie konnte das so in aller Stille geschehen?...

Ja, das weiss nun niemand, das ist die Findigkeit und grosse Geschicklichkeit von Knecht Ruprecht und die gibt er nicht preis.

 

 

nach Felix Timmermans

 

 

 

 

nigneghome.jpg (3005 Byte)
Adventskalender