Wart', ich werde
meinen Schuh ausziehen, dann kannst Du damit klopfen", sagte Knecht
Ruprecht.
"Nein!", gebot
Sankt Nikolaus, "Kein Drehen und Deuteln!" Gott ist heller um uns als
dieser Mondenschein und duldet keine Advokatenkniffe." Und doch hätte
der Gute Mann sich gerne einen Finger abgebissen, wenn er nur Cäcilie
damit hätte froh machen können.
"Ach! Aber der
Kerl mit den Affenhaaren auf dem Vorhang!" rief Knecht Ruprecht
erfreut, "den darf ich rufen, der schläft nämlich noch nicht!" "Den
Dichter, ja den Dichter!" lachte Sankt Nikolaus. Und nun gingen alle
drei schnell zu dem Dichter Remoldus Keersmaecker. Und kurzer Hand
machte Knecht Ruprecht kleine Schneebällchen, die er an die
Fensterläden warf. Der Schatten stand still, das Fenster ging auf, und
das lange Gestell des Dichters, der Verse der Götter und Göttinnen des
Olymps hersagte, wurde im hellen Mondschein sichtbar und fragte von
oben: "Welche Muse kommt, um mir Heldengesänge zu diktieren?"
"Du sollst
Trinchen für uns wecken!" rief Sankt Nikolaus und erzählte von seiner
Not.
"Ja, bist du denn
wirklich der echte Nikolaus?" fragte Remoldus.
"Der bin ich!"
Und darauf kam der Dichter erfreut herunter gerannt, jätete alles
Dialektstückchen aus seiner Sprache, machte eine tiefe Verbeugung und
redete von Dante, Beatrice, Vondel, Milton und allen anderen Dichtern
die ihm einfielen und von denen er glaubte sie müssten jetzt im Himmel
sein. Danach stand er Sankt Nikolaus zu Diensten. Sie kamen zu
Trinchen und der Dichter stampfte und klopfte mit soviel Temperament
and ie Tür, dass das Frauenzimmer holterdiepolter aus dem Bett stürmte
und erschrocken aus dem Fenster sah. "Geht die Welt unter?"
"Wir kommen wegen
des grossen Schokoladenschiffes", sagte Sankt Nikolaus, weiter konnte
er ihr nichts mehr erklären, denn sie war schon weg, und kam in ihrer
lustigen Nachtbekleidung, mit einem blossen Fuss und einem Strumpf in
der Hand, und machte die Tür auf.
Sie steckte die
Lampe an und ging sofort hinter den Ladentisch um zu bedienen. Sie
dachte, es müsste der Bischof von Mecheln sein. "Herr Bischof",
stotterte sie, "hier ist das Schiff aus allerbester Schokolade, und es
kostet 25 Franken!" Der Preis war eigentlich nur 20 Franken, aber ein
Bischof kann ja gerne auch mal 5 Franken mehr bezahlen. Aber nun
platzte die Bombe!
Geld... !!
Sankt Nikolaus
hatte kein Geld, denn das hatte man im Himmel nun einmal nicht nötig.
Knecht Ruprecht hatte auch kein Geld. das Kind hatte nur ein
zerschlissenes Hemdchen an und der Dichter kaute an seinen langen
Haupt- und Barthaaren vor lauter Hunger. Ausserdem war er mit
seiner Miete schon vier Wochen im Rückstand. Niedergeschlagen sahen
sie sich gegenseitig an.
"Es ist Gott
zuliebe" warf Sankt Nikolaus ein. Gerne hätte er seine Mitra gegeben,
aber alles das war ihm vom Himmel ja nur geliehen, ausserdem wäre es
Heiligenschändung gewesen, es wegzugeben.
Trinchen rührte
sich nicht und blickte finster.
"Tu es dem Himmel
zuliebe", sagte Knecht Ruprecht "nächstes Jahr werden wir dann auch
deinen ganzen Laden aufkaufen!"
"Tu es aus lauter
Poesie" meinte der Dichter theatralisch.
Aber Trinchen
rührte sich nicht, sie fing an zu glauben, weil sie kein Geld hatten,
es handle sich um verkleidetes Diebesgesindel.
"Schert euch
raus! Hiiiiiieeeelfe!!! Hiiiiieeeelfe!" schrie sie auf einmal so laut
sie konnte. "Schert euch raus! Heiliger Antonius und Sankt Nikolaus
steht mir bei!!!!"
"Aber ich bin
doch der Sankt Nikolaus, "sagte darauf der Heilige.
"So siehst du
aus! Du hast nicht einmal einen roten Rappen aufzuweisen" und sie
zeterte weiter.
"Ach das Geld,
dass alle Liebe zwischen den Menschen vergiftet!" seufzte Sankt
Nikolaus
"Das Geld, dass
die edle Poesie verpfuscht!" schimpfte der Dichter.
"Und die armen
Menschen och viel ärmer macht", schoss es Cäcilie durch ihr Köpfchen.
"Und ein
Schornsteinfegerherz doch nicht weiss klopfen machen kann", lachte
Knecht Ruprecht. Und sie gingen alle wieder hinaus.
In der Mondnacht,
die still war von Frostklarheit und Schnee, tönte das "Schlafet-ruhig"
hart und hell vom Turm. "noch einer, der nicht schläft!" rief Sankt
Nikolaus nun erfreut, und sogleich streckte Knecht Ruprecht seinen
Fuss zwischen die Tür , die Trinchen geraden wütend zuschlagen wollte.
"Haltet mir die Frau wach", sagte der schwarze Knecht, " ich bin
sofort wieder da!" Und damit stiess er die Türe wieder auf, und zwar
so heftig, dass Trinchen sich plötzlich in einem Korb voller Zwiebeln
wieder fand. Und während die anderen aufs neue hineingingen, sprang
Knecht Ruprecht auf das Eselchen, sauste wie ein Sensenstrich durch
die Strassen, hielt vor dem Turm, kletterte flink an Zinnen und
Vorsprüngen, Zierrat, Schiefern und Heiligenbildern den Turm hinauf
bis zu Dries, der gerade ein Liedchen auf seiner Geige kratzte.
Der Mann liess
Geige und Liedchen fallen , aber Knecht Ruprecht erzählte ihm alles.
"Erst sehen, dann
glauben!" sagte Dries.
Am Ende kriegte
Knecht Ruprecht ihn doch noch mit hinunter und zu zweit rasten sie mit
dem Eselchen durch die Strassen zurück zu Trinchens Haus.
Sankt Nikolaus
fiel vor dem Nachtwächter auf die Knie und flehte ihn an, doch die 25
Franken zu bezahlen, dann solle ihm auch alles Glück der Welt werden.
Der Mann war
gerührt und sagte zu dem ungläubigen, hartherzigen Trinchen: "ich
weiss nicht, ob er lügt, aber so sieht Sankt Nikolaus doch aus in den
Bilderbüchern von unseren Kindern und im Kirchenfenster über dem
Taufstein. Und wenn er es nun wirklich ist?! Gib ihm doch das Schiff!
Morgen werde ich wieder kommen und es bezahlen!..." Trinchen hatte
grosses Vertrauen in den Nachtwächter, der aus ihrer Nachbarschaft
war. Und Sankt Nikolaus bekam endlich das Schiff.
"Jetzt geh nur
schnell nach Hause und leg dich schlafen" sprach Sankt Nikolaus zu
Cäcilie. "Wir werden das Schiff gleich bringen."
Das Kind ging
nach Hause, aber es schlief nicht, es sass am Kamin mit dem Kissen auf
den Ärmchen und wartete auf das Niedersinken des Schiffes.
Der Mond sah
gerade in das armselig-traurige Kämmerchen. Ach, was sah Cäcilie da
auf einmal! Dort auf dem glitzernden Mondstrahl kletterte das Eselchen
in die Höhe samt Sankt Nikolaus auf seinem Rücken und Knecht Ruprecht
der sich am Schwanz festhielt und sich hinterher ziehen liess.
Der Mond öffnete
sich; ein grosses, sanftes Licht fiel in funkelnden Regenbogenfarben
über die beschneite Welt. Sankt Nikolaus grüsste die Erde, trat
hinein, und wieder war da das gewöhnliche, blassgrüne Mondlicht.
Die kleine
Cäcilie wollte weinen. Knecht Ruprecht oder Sankt Nikolaus hatten ihr
das Schiff nicht gebracht. es lag nicht auf ihrem Kissen.
Aber siehe! Welch
unbeschreibliches Glück! Das Schiff, die Kongo, stand ja da in der
kalten Asche, ohne Delle, ohne Bruch, strahlend von Silber und rauchte
mindestens für 20 Rappen weisse Zuckerwatte aus beiden Schornsteinen!
Wie war das nur
möglich? Wie konnte das so in aller Stille geschehen?...
Ja, das weiss nun
niemand, das ist die Findigkeit und grosse Geschicklichkeit von Knecht
Ruprecht und die gibt er nicht preis.
nach Felix Timmermans
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