...ein Glockenschlag
erweckte mich aus meinem Stundenlangen Brüten - die Weihnachtsglocken von
Finkenrode! Die Weihnachtsglocken meiner Kinderzeit!
Ich fuhr mit der Hand
über die Stirn und lauschte; unwiderstehlich zog es mich hinaus in die heilige
Nacht.
Ich hatte den Mantel
übergeworfen; ich fand mich in der Strasse ohne zu wissen wie.
Alles still und dunkel!
Kein Stern am Himmel - kein Lichtlein auf Erden! Glockenklang, Glockenklang der
Heimat!
Ich schritt langsam durch
die schweigenden, schneebedeckten Strassen, das Erwachen der Stadt erwartend. -
Dort flammt ein Licht
auf, dort wieder eines. Sie bewegen sich in den Häusern hin und her durch die
Gemächer. Sieh da! Sieht da ein Weihnachtsbaum im vollen Glanze! Haustüren
öffnen sich hier und da, eine Gestalt, in einen Mantel gehüllt, streicht an
mir vorüber. In immer hellerem Glanz leuchtet das Städtlein Finkenrode.
Ich folge dem Glockenklan
durch die Gassen auf den Marktplatz - vor mir strahlt die Kirche des heiligen
Martin mit ihren hohen, spitzen, erleuchteten Fenstern; die beiden Türme
verlieren sich vollständig im Nebel und der Dunkelheit. Ich lehne mich an einen
Pfeiler des weit geöffneten Portals und lausche. Hallen einmal einen Augenblick
die Glocken über mir aus, so klingt leise, leise das Geläute eines
fernen Walddorfes herüber. Noch ist die Kirche menschenleer, die Wände des
heiligen Gebäudes entlang schimmern die Totenkränze im Glanz der Kronleuchter.
Tannenzweig windet sich an den Pfeilern empor.
Jetzt ist das christliche
Volk erwacht und regt sich. Männer und Weiber schreiten durch die Gassen und
über den Markt, auf die Kirchentüren zu, die Gesangbücher an die Brust
gedrückt. Die Kinder führen ihre bunten Weihnachtspuppen mit sich, junge
Mädchen entfalten strahlend den neuesten Putz. Zwischen den modernen Hüten und
Hauben der Weiber schimmern hier und da die landesüblichen Kugelmützen von
Gold- und Silberstoff, die Kopfbedeckung der älteren Bürgerfrauen, hervor.
Immer dichter werden die Scharen, die an mir vorüberziehen. Jeder Kirchgänger
führt ein Wachslicht mit sich, welches an einer am Eingang der Kirche
hängenden kleinen Lampe angezündet wird. Schon flammen Hunderte von Kerzen,
schon braus die Orgel, der Gesang der Menge fällt ein - weit über die kleine
Stadt hin, bis tief hinein in die stillen Berge, wo der Hirsch und der Fuchs
verwundert aufhorchen, erklingt die Feier des Christmorgens.
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