lieb Nachtigall

   
     

 

 

   
   

Weihnachten um 1830

   
         
   

   
         
   

   
         
   

   
         
   

Weichnachten! Wort voller sehnsüchtiger Ahnung für die Kinder, Wort voll bunter Erinnerungen für die Alten! Wir träumen uns zurück in die Erlebnisse der Adventabende, da wir in dem dunklen Zimmer sassen, eines an das andere geschmiegt, und von dem flüstern, was das Christkind bringen möchte und was es wohl bringen werde. Da ging von der Gasse her ein flüchtiger Schein an den Wänden hin "Das Christkind, das Christkind!" riefen wir und wir lauschten, ob die Haustür klingeln werde. Und horch! Es schellte, es pochte an die Stubentür, sie öffnete sich, und Äpfel und Nüsse regneten herein. Aber sie tat sich rasch wieder zu und wir klagten, dass der alte Josef oder Ruprecht nicht mit uns hereintrete.

Ein andermal hatte er mehr Zeit; da stürzte er in das Zimmer, in Pelz gehüllt, das Gesicht vermummt, die mächtige Rute in der Hand, den schweren Sack auf dem Rücken. Er fragte nach Fleiss und Artigkeit und seine Rutenhiebe vergalt er durch Gaben aus seiner Bürde.

Am liebsten war uns, wenn das schöne Christkind mit ihm kam oder Gabriel oder Petrus. Da sangen sie schöne alte Gesänge und die Milde des Christkindes und des Engels stachen scharf ab gegen die gutmütige aber strenge Art des Petrus und die komisch polternde des Josef oder Ruprecht.

So ging die Adventzeit hin in wonniger dämmernder Ahnung; wir wurden früher zu Bette geschickt, weil das Christkind mit den Eltern zu sprechen hatte und wir zweifelten nicht daran, denn am Morgen waren Goldflimmer auf dem Boden verstreut, die hatte das Christkind von seinen seinen Flügeln gestreift. In den Dämmerungen gingen wir auch einmal in ein Nachbarhaus, wo ein Kripperl aufgebaut war zahlten unser kleines Eintrittsgeld und standen bewundern vor dem erleuchteten stufenweisen Gerüste an der Wand, das die heilige Geschichte der Geburt Christi versinnlichte. Es war gar bunt und seltsam; Jerusalem und Bethlehem prangten mit Moscheen und Minaretts, im Gefolge der heiligen drei Könige schritten neben den Kamelen preussische Soldaten und neben dem Stall plätscherte als höchster Schmuck des Kripperls ein kleiner Springbrunnen.

Aber das störte uns nicht, ebenso wenig wie die Vorfahren im 15. und 16. Jahrhundert sich in der Andacht irren liessen, wenn die Anbetungen der heiligen Könige in der Tracht der Zeit gemalt waren und die Gesichter bekannter Menschen auf heiligen Leibern sie anblickten.

So schlich der Weihnachtsabend heran. Wir konnten kaum die Dämmerung erwarten; endlich schlug die ersehnte Stunde. Die Reihe der Bescherung kam an uns und aus dem Dunkel stürzten wir in das blenden helle Zimmer, in dessen Mitte der grüne Christbaum stolz sich erhob mit den unzähligen Lichtern, der goldenen Fahne und seinem Schmuck an allerlei niedlichen und süssen Dingen. Schenkten wir ihm auch zuerst weniger Augen als den Gaben, die jedes für sich abgesondert fand, so kehrten wir doch zuletzt aufmerksam zu ihm zurück, dem gemeinsamen Gute und er verbreitete noch so lange weihnachtlichen Nachglanz bis er dann, dürr vor Alter, dem Feuer übergeben wurde.

Noch einmal zogen wunderbare Gestalten durch die Häuser: die heiligen drei Könige mit den goldenen Kronen und den weissen bunt bebänderten Gewändern; dann aber war es vorüber. Wir hatten nichts mehr zu ersehnen und langsam flossen die Wochen an uns vorbei, Welle auf Welle, bis wir im winterlichen Neben eine Woge fern rollen sahen, die das Weihnachtsfest trug.

Oh du süsses Fest der Kinder, oh du frohes Fest der Eltern! Freilich bringt es über viele schwere Sorgen und wenn die Kinder wüssten, wie die Goldflitter durch das pochende Herz der Mutter geschlagen sind, sie würden im Jauchzen eingehalten Aber die Muttertränen werden durch den Christ getrocknet, wo das Elternherz rein ist an Liebe und kindlichem Gefühl, da wird die Sorge besiegt und die Armut flüchtet zu den kalten und leeren Seelen der Reichen die keine Kindheit in Liebe hatten und über denen keine warme Lebenssonne aufgeht, sondern nur die trügerische Nebensonne des unterirdischen Goldes.

 

 

   
   

Karl Weinhold

   
         
         

      
         
 

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